Wiedersehen: Sonntagmorgen ab nach Berlin, dann ins Flugzeug und schließlich landete ich um 20:34 Uhr in Athen.
Meine Aufregung war groß, denn jedes Mal, wenn ich Athen verlasse, muss Chancelle alleine für sich und ihre vier Kinder kämpfen. Es ist kaum zu glauben, woher diese Frau ihre Energie nimmt. Für sie ist jeder Tag ein Überlebenskampf. Ein Dach über dem Kopf, Essen im Kühlschrank, medizinische Versorgung, Hygieneartikel und Kleidung – für all das muss Chancelle immer wieder aufs Neue bitten.
Stellt euch vor, ihr wacht auf und sehnt euch nach einer erfrischenden Dusche, doch ihr habt nicht einmal den Luxus eines eigenen Zimmers geschweige denn eines Badezimmers! Nach dem Duschen knurrt der Magen, und die Kinder weinen vor Hunger. Sofort stellt sich Chancelle die drängende Frage, wie und wo sie Essen auftreiben kann. Zu oft gehen ihre beiden Töchter ohne Frühstück zur Schule. Zweifel nagen oft an ihr: Bin ich eine schlechte Mutter? War es richtig, meine Heimat zu verlassen, um für meine Kinder und mich eine bessere Zukunft zu suchen?
Ich lernte Chancelle kennen, als sie nach einer Unterkunft suchte. Dank der Organisation „Love without borders“ fand sie schließlich ein Zimmer. Im täglichen Kontakt vertraute sie sich mir an und offenbarte ihre ganze Not: die ständige Angst, auf der Straße zu landen, und die Sorge um ihre Kinder. Diese Stadt, Athen, zeigt zwei Gesichter – die einen feiern das Leben, die anderen kämpfen darum, zu überleben.
Mit Unterstützung von Privatpersonen und verschiedenen Organisationen hat Chancelle nun eine kleine Wohnung gefunden und besucht fleißig einen Nähkurs. Mit einer gespendeten Nähmaschine zaubert sie wunderschöne Taschen und zeigt damit ihr verborgenes Nähtalent. Abiga und Daniela, ihre beiden älteren Töchter, unterstützen ihre Mutter, wo sie nur können. An eine unbeschwerte Kindheit ist dabei kaum zu denken.
Es war ein großes HALLO, als wir uns am Montagnachmittag endlich wiedersahen. Das afrikanische Feuer entfachte sofort, und das Lachen wollte kein Ende nehmen. Zusammen mit den Mädchen ging ich Obst einkaufen, und wir zauberten eine große Schale mit Obstsalat. Wir saßen auf dem Boden, um die Schale herum und leerten diese.
Nach dem Schlemmen lehnten wir uns zurück, und die ruhigen Momente boten Raum für Gespräche. Sie teilten ihre Sorgen mit mir, und ich lauschte aufmerksam. Zuhören ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man in diesem Feld mitbringen sollte. Manchmal reicht es, einen Moment innezuhalten, das Erlebte in Worte zu fassen und es mit jemandem zu teilen.
Die Tage wurden sorgfältig geplant, und die zwei Strandtage ließen die Augen aller zum Leuchten bringen. Chancelle sagte einst zu mir: „An solchen Tagen vergesse ich meinen ganzen Kummer!“
Morgen werde ich mit ihr zu einem großen Laden in der Nähe von Kypseli fahren. Dort gibt es preisgünstig alles, was sie zum Nähen braucht. Neue Stoffe und vieles mehr müssen her, denn die Nähmaschine soll nicht stillstehen. Chancelle liebt es, neue Kreationen zu entwerfen und umzusetzen.
Jede Tasche wird ein Unikat, lasst euch überraschen!

